Thomas Bohlender, Mitglied der Abteilung Vereinsgeschichte, schreibt einmal im Monat einen Artikel über ein historisches Spiel der Fußball-Löwen: Sechzig vor 70 Jahren – April 1951.
Eine geradezu epische 0:6 Niederlage in der Hinrunde der Saison 1950/1951 hatte der Club im eigenen Stadion gegen den TSV 1860 München hinnehmen müssen. Nie war der Rekordmeister aus der Frankenmetropole schlimmer gedemütigt worden. Die Mannschaft des 1. FC Nürnberg sann an diesem 32. und drittletzten Spieltag der Oberliga Süd auf Revanche. Man hatte sich gründlich von der Vorrunden-Schlappe erholt, war souveräner Tabellenführer, drei Jahre zuvor Deutscher Meister geworden, Topfavorit im Duell mit den Löwen und einer der heißesten Anwärter auf den Titel des Deutschen Fußballmeisters, den die acht besten Mannschaften der vier Oberligen unter sich ausspielen würden.
Sonntag, 8. April 1951, 15.00 Uhr: Zum ersten und einzigen Mal in dieser Saison war das Städtische Stadion an der Grünwalder Straße mit 45 000 Zuschauern restlos ausverkauft. Selbst zu den beiden Lokalderbys gegen den FC Bayern waren nur 35 000 bzw. 20 000 Zuschauer gekommen. Was heute seltsam anmutet, ist für die damalige Zeit durchaus erklärbar. Im unmittelbaren Nachkriegsdeutschland lebten die meisten Menschen in eher bescheidenen Verhältnissen, viele Fußballbegeisterte konnten sich nur selten den Luxus einer Eintrittskarte leisten, der Fußball als Volkssport besaß noch nicht den alles dominierenden Stellenwert, die Rivalität zwischen den Münchner Top-Klubs war weniger ausgeprägt, ein Lokalderby besaß keineswegs den herausragenden Eventcharakter heutiger Tage und der FC Bayern spielte damals im namenlosen Mittelfeld der Oberliga Süd nur eine höchst bescheidene Rolle. Viele Fans wollten lieber den 1. FC Nürnberg mit seinem Stürmerstar Max Morlock sehen, den möglichen kommenden Deutschen Meister.

Das Löwen-Team in der Saison 1950/51, oben von links: Koller, Roßmann, Link, Sommer I, Zausinger, Trainer Dr. Schäfer, Mondschein, Hornauer, Fottner, Scherer, Seemann. Unten von links: Schmidhuber, Sommer II, Pledl, Regler, Strauß, Müller, Glas, Gossler.
Und der Club wurde seiner Favoritenrolle gerecht, zumindest in den ersten Minuten. Schnell führten die Nürnberger durch ein Tor von Winterstein mit 1:0. Aber in der 27. Minute gelang dem legendären Alois Hornauer (Spieler bei Sechzig 1940-1957) der 1:1 Ausgleich. Sechzig drehte das Spiel endgültig in der 75. Minute, als Kurt Lauxmann zum 2:1 einschoss. Ein glorreicher Sieg war errungen, drei Wochen später eine erfolgreiche Saison mit dem 6. Platz, drei Plätze und neun Punkte vor dem FC Bayern, abgeschlossen und der Löwensturm hatte in dieser Saison 1950/1951 mit sensationellen 97 Toren die Oberliga Süd gerockt.
Und der 1. FC Nürnberg? Der qualifizierte sich als Meister der Oberliga Süd souverän für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft, verpasste aber, aufgrund des schlechteren Torverhältnisses gegenüber Preußen Münster, den Einzug ins Finale. Aus der Traum für die untröstlichen Clubberer. Deutscher Meister 1951 aber wurde nicht das glückliche Preußen Münster, sondern der 1. FC Kaiserslautern um seinen legendären Kapitän Fritz Walter, durch ein 2:1 über besagte Preußen aus Münster.
Der Traum von der Deutschen Meisterschaft sollte für den 1. FC Nürnberg mit zehnjähriger Verspätung 1961 dann doch noch in Erfüllung gehen. Und der unverwüstliche Max Morlock, inzwischen 36 Jahre alt, war immer noch dabei, ja er wurde am Ende der Saison sogar zu Deutschlands Fußballer der Jahres gekürt.
Der TSV 1860 spielte mit folgender Aufstellung:
Strauß; Pledl, Müller, Seemann, Sommer, Schmidhuber, Zausinger, Link, Lauxmann, Fottner, Hornauer.
20. Oktober 2022