Ein Novum erlebten die Mitglieder des TSV München von 1860 e.V. bei der ordentlichen Mitgliederversammlung am 20. September 2020. Anstatt wie ursprünglich vorgesehen, fand diese nicht in der Kulturhalle Zenith statt, sondern in einem Münchner Filmstudio. Aufgrund von gesundheitspolitischer Vorgaben der Bayerischen Staatsregierung infolge der Covid-19 Pandemie war eine Präsenzveranstaltung nicht möglich.
Präsident Robert Reisinger eröffnete pünktlich um 11 Uhr die virtuelle Veranstaltung, warb für Verständnis für die Art der Mitgliederversammlung. „Aus rechtlichen Gründen werden Abstimmungen auf die nächste Präsenzveranstaltung verschoben.“ Technisch wäre dies möglich gewesen, aber weil keine Wahlen auf der Tagesordnung standen, habe man aus Kostengründen darauf verzichtet.
Die Mitgliederversammlung wurde von MUCSOUND Veranstaltungstechnik in einem Münchner Studio live übertragen. „Es fühlt sich seltsam an“, gestand der 56-jährige Präsident. „Ich bin es gewohnt rumzugehen und zu plaudern“, sprach er in die Kamera und ging zur Tagesordnung über. Die ersten Punkte waren schnell abgearbeitet, weil sie teilweise entfielen. So war eine Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung und der Beschlussfähigkeit sowie die Genehmigung der Tagesordnung nicht nötig, weil es sich um keine offizielle Mitgliederveranstaltung handelte, sondern um eine Informationsveranstaltung.
Reisinger stellte Julian Reich als Protokollanten vor. Auch die „Genehmigung des Protokolls der Mitgliederversammlung vom 30.06.2019“ entfiel. „Das werden wir auf der nächsten Präsenzveranstaltung nachholen“, kündigte der Präsident an und leitete zur Totenehrung über. Er bat die Zuseher um ein kurzes Innehalten, während die Technik die Namen der Verstorbenen einblendete. Reisinger hob vor allem den kürzlich verstorbenen Münchner Alt-OB Hans-Jochen Vogel hervor.
Anschließend standen die Ehrungen auf der Tagesordnung. Günter Helbig (Wassersport), Willi Rieber (Bergsteigen), Karl Heinz Fraundorfer, Hermann Kieninger, Kurt Ruprecht, Rüdiger Sperber, Walter Unden und Peter Wuttke (alle Fußball) wurden zu Ehrenmitgliedern ernannt. Dabei strich er besonders Willi Rieber hervor. „Der ist gefühlt schon 100 Jahre Abteilungsleiter“. Bei der Ehrung der aktiven Sportler stand das Bundesliga-Team Roller Derby im Fokus, die in der Saison 2019/2020 erstmals die Deutsche Meisterschaft gewannen. „Tolle Leistung, à la bonne heure!“, zollte er den „Roller Mädels“ seinen Respekt.
Danach ging es zu den Berichten über. Präsident Reisinger machte den Anfang, hatte diesen in acht Punkte unterteilt. Der erste behandelte den Sport während der Pandemie, Covid-19 und die Folgen. Das letzte Jahr sei von einer „Vielzahl an Ereignissen geprägt. Wir haben viele Ziele erreicht, infrastrukturelle Projekte vorangetrieben“, konstatierte er. Die Covid-19-Pandemie habe Profi- wie Amateursport gleichermaßen getroffen. „Uns ist es gelungen, Schritt für Schritt ein Stück Normalität zurückzugewinnen.“ Gerade in der jetzigen Situation gälte es, „in Solidarität zusammenzustehen und unserer Verantwortung gerecht zu werden. Wir brauchen einen langen Atem!“
Punkt zwei befasste sich mit der „160-Jahr-Feier“ des Vereins. Hier mussten pandemiebedingt große Feierlichkeiten entfallen, was er im Namen des Präsidiums sehr bedauert. Als nächstes befasste sich Reisinger mit dem NLZ „Die Bayerische Junglöwen“. Er bedankte sich bei den Mitarbeitern, die sportlich und organisatorisch hervorragend Arbeit leiten würden. Viele hätten dazu beigetragen. Namentlich nannte er noch die Sparkasse München, die Unternehmer für Sechzig sowie die Mitglieder des Vereins. „Sie erbringen mit ihren Beiträgen den Löwenanteil. Dadurch haben wir mehr finanzielle Mittel als zuvor.“ Die sportliche Entwicklung sei ebenfalls positiv. Bis auf die U19 spielen alle Nachwuchsteams in der für sie höchsten Spielklasse. Außerdem verwies er auf den Nachwuchsfördertopf der 3. Liga, der eine Ausschüttung aus der Saison 2019/2020 von über 300.000 Euro zweckgebunden für den „gemeinnützigen Fußball“ erbracht hätte. „Mittlerweile gestalten die Verantwortlichen im Profifußball die Vertragsverhältnisse mit den Spielern so, dass der Verein davon profitiert. Das war nicht immer so!“ Das führe auch zu einer „hohen Identifikation“ der Fans mit der Profimannschaft.
Auch mit der „Stellung als Gesellschafter der KGaA“ befasste sich Reisinger. Er freute sich, dass für diese und die nächste Saison der Fortbestand des Profifußballs gesichert sei. Viele Profiklubs hätten mit den erheblichen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu kämpfen. „Uns ist es gelungen, diese prekäre Situation zu meistern.“ Gründe dafür seien die Zusage von Mitgesellschafter Hasan Ismaik, die coronabedingten Ausfälle zu kompensieren, das erweiterte Engagement von Hauptsponsor die Bayerische und der Verkauf von bisher knapp 10.000 Dauerkarten für die Spielzeit 2020/2021. Das spreche für den Zusammenhalt und die sportlichen Ambitionen.
Aufräumen wollte Reisinger nochmals mit der „Dolchstoß-Legende vom verratenen Helden“, wie er es nannte, im Zusammenhang mit dem Rücktritt von Cheftrainer Daniel Bierofka. „Da haben Emotionen die Fakten überlagert.“ Die schnelle Präsentation eines geeigneten Nachfolgers hätte die Gemüter beruhigt. „Die Zukunft heißt jetzt Michael Köllner.“ Der Präsident würdigte auch die Arbeit von Michael Scharold als kaufmännischen Geschäftsführer. „Mit Marc-Nicolai Pfeifer haben wir einen geeigneten Nachfolger gefunden.“
Wichtig, so Reisinger, sei auch gewesen, dass sich das Verhältnis zwischen den Gesellschaftern merklich entspannt hätte. „Unser Mitgesellschafter hat seinen Stil geändert. Diskussionen werden jetzt hinter verschlossenen Türen geführt und nicht über Social Media. Fast schon bahnbrechend mutete Reisingers Ankündigung an, dass Hasan Ismaik bei seinem nächsten München-Besuch ein persönliches Treffen der beiden Gesellschafter zugesagt habe. „Man kann unterschiedliche Ansichten haben, deswegen sollte man trotzdem miteinander respektvoll umgehen“, charakterisierte der Präsident den neuen Stil.
Als nächstes äußerte sich Reisinger zu den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie Grünwalder Stadion. „Diese sagt, dass ein Ausbau für die Zweite und Erste Liga prinzipiell möglich ist.“ Das sei früher politisch undenkbar gewesen. „Betrüblich“ sei nur die Kapazität von knapp über 18.000 Zuschauer. „Bis dahin reicht der bestehende Bestandsschutz aus“, erklärte er. Bei der gewünschten Besucherzahl von 24.000 „bräuchten wir eine Änderung des Bebauungsplans“, was wohl eine Klagewelle von Anwohnern zur Folge hätte. „Die Stadt hat bereits geprüft, dass die Pläne des Architekturbüros Albert Speer und Partner grundsätzlich genehmigt werden kann. Das gibt uns Planungssicherheit im Falle eines Aufstiegs in die Zweite Liga.“
In seinem sechsten Punkt befasste sich Reisinger mit der Entwicklung des Amateur- und Breitensports. Das Angebot sei weiter gewachsen. „Wir begrüßen das, wollen unseren Verein wieder als Institution im Breitensport verankern.“ Dazu sei es wichtig, dass der TSV 1860, dessen Abteilungen derzeit über das gesamte Stadtgebiet zerstreut seien, wieder eine gemeinsame Basis habe. „Seit 2002, seit 18 Jahren, haben sieben Präsidien versprochen, sich diesem Thema anzunehmen. Wir auch, aber wir sind einen Schritt weiter, können konkrete Planungen vorstellen.“
Es folgte eine dezidierte Präsentation einer Dreifach-Turnhalle, die auf dem derzeitigen Parkplatz an der Grünwalder Straße 114 errichtet werden soll mit Geschäftsstelle für den gemeinnützigen Verein, Gastronomiebetrieb für das in die Jahre gekommen Löwenstüberls und einem Vereinsmuseum. Auch ist zur Kompensation der wegfallenden Stellplätze ein Parkdeck geplant. Das Präsidium hofft beim Bau auf die Unterstützung von Handwerkern und Dienstleister aus dem Verein.
Finanziell sieht Reisinger die Löwen dazu in der Lage. „Bei der nächsten Mitgliederversammlung wird Heinz Schmidt dazu einen Business-Plan vorstellen. Wenn alle sich engagieren, kann dieses Projekt umgesetzt werden und alle Abteilungen sind wieder unter einem Dach vereint. Von allen Seiten gab es bisher positive Rückmeldungen. Ich gehe davon aus, dass auch unser Mitgesellschafter uns keine Steine in den Weg legen wird.“
Vize-Präsident Hans Sitzberger berichtete von der neuen Abteilung für Vereinsgeschichte, die von der Kunsthistorikerin Verena Spierer geleitet wird. „Wir vom Präsidium finden eine Abteilung sehr gut, die sich mit kulturellen Erbe unseres Vereins beschäftigt.“ Sitzberger bat die Mitglieder, die Material aus der Geschichte des TSV 1860 besitzen, dieses der neuen Abteilung zur Verfügung zu stellen.
Danach war Vizepräsident und Schatzmeister Heinz Schmidt mit seinem Bericht über den Jahresabschluss Geschäftsjahr 2018/2019 an der Reihe. In allen Bereichen konnte der Rosenheimer bei der 5-Jahresentwicklung eine Steigerung vermelden, „wenn auch die Kurve zuletzt flacher verläuft“. Anschaulich dokumentierte er die Zahlen mit Schaubildern. Eigenkapital und Geldbestände würden sich nach oben entwickeln. Dafür seien auch die positiven Mitgliederzahlen verantwortlich. Aktuell zählt der Verein 22.788 Mitglieder. „Aber es ist nicht die Aufgabe des Vereins, Gewinne zu erzielen.“ Das vorhandene Polster würde aber Sicherheit geben, um die „anstehenden Aufgaben“, wie der Hallenbau, zu meistern.
Schmidt wagte einen Ausblick. Er plane 2020/2021 mit einem ausgeglichenen Haushalt. „Corona hat unseren Verein zwar sportlich voll getroffen, aber finanziell sind wir gut rausgekommen. Wesentliche Vereinsaustritte hat es wegen der Pandemie keine gegeben“, sieht er den e.V. weiterhin gut aufgestellt. Auch vom Finanzamt habe er seit fast einem Jahr nichts mehr gehört.
Sascha Königsberg gab für den Verwaltungsrat den Bericht ab, wollte sich bewusst kur fassen. Das Gremium habe im Vereinsrat mitgewirkt und die Abteilungen unterstützt, z.B. als Schnittstelle zu Förderern und Netzwerken. Daneben habe man zahlreiche Präsenztermine wahrgenommen, Faninteressen gebündelt und als Ansprechpartner baurechtliche sowie juristische Themen begleitet. „Auch beim Neubau der eigenen Halle. Wir sind bei dieser Herzensangelegenheit beratend und unterstützend bis in die städtischen Gremien hinein tätig.“ Königsberg war es ein Anliegen, auf die von der Merchandising GmbH geführten Prozesse wegen Markenrechtsverletzungen gegen die eigenen Fans hinzuweisen. Er hätte sich eine klarere Position der KGaA gewünscht, da die Rechte bei ihr liegen. Auch am Findungsprozess des neuen kaufmännischen Geschäftsführers war Verwaltungsrat beteiligt.
Dieser berichtete als nächster per Videoeinspielung. Marc-Nicolai Pfeifer bedankte sich für die tolle Aufnahme im Verein. „Das hat mir den Einstieg erleichtert.“ Die kürzlich veröffentlichte Bilanz vom 30.06.2019 sei noch in die Verantwortung von Scharold/Günther Gorenzel gefallen. Er konnte für das letzte Geschäftsjahr eine „positive Entwicklung“ vermelden. Dazu habe die Aktion „Macht das Sechzger voll“ maßgeblich beigetragen. „Ich gehe von einer Schwarzen Null aus.“ Er berichtete von einer guten Fortführungsprognose. „Wir bedinden uns auf KGaA-Seite auf einem guten Weg, versuchen bei der Organisation sehr effizient zu sein.“ Er befinde sich im wöchentlichen Austausch mit dem Präsidium und mit Mitgliedern des Verwaltungsrat. „Ich freue mich auf die persönlichen Begegnungen im Grünwalder Stadion“, hofft der 39-Jährige, dass bald wieder Fans die Spiele der Profis besuchen können.
Danach verlas Vizepräsident Schmidt in Vertretung der Kassenprüfer den Prüfungsbericht und Vereinsmanagerin Viola Oberländer den der Abteilungen. Sie verwies auf die Homepage, wo diese veröffentlicht werden. Mittlerweile habe der Verein „48 verschiedene Sportarten im Angebot“, konnte sie vermelden. Sie dankte den Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter, den Trainerinnen und Trainer für ihre Arbeit, aber auch den Sponsoren. Namentlich nannte sie die Sparkasse München, Die Bayerische, AHD Sitzberger, die Unternehmer für Sechzig und die Firmenmitglieder. „Danke auch an das Präsidium.“ Auch sie hatte eine frohe Botschaft parat. Seit letzter Woche gibt es eine Vereinsapp, die im App-Store heruntergeladen werden kann. Der Zugang erfolgt über Name und Mitgliedsnummer.
Anschließend erfolgte online die Aussprache zu den Berichten. Via Chat konnten die zu diesem Zeitpunkt etwa 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Fragen stellen. Eine beschäftigte sich mit der Kapitalerhöhung. Präsident Reisinger sagte dazu, dass es keinen neuen Stand gäbe. „Das letzte Wort haben ohnehin die Mitglieder auf der Jahreshauptversammlung. Für dieses Thema werden wir ohnehin eine Präsenzveranstaltung brauchen.
Um 12.52 Uhr waren die Tagesordnungspunkt, soweit sie für die Online-Veranstaltung relevant waren, abgehandelt. Reisinger bedankte sich bei allen, „die sich eingewählt hatten. Ich entschuldige mich auch dafür, dass nicht alles rundgelaufen ist.“ Optimal, so gab er ehrlich zu, sei diese Art der Mitgliederversammlung nicht. „Das direkte Feedback geht mir ab, auch die Diskussionen untereinander. Ich wünsche mir keine reine Online-Veranstaltung. Ich hoffe, dass der Großteil der Mitglieder ähnlich denkt. Für mich ist es nicht schön, in einen leeren Raum zu sprechen.“ Zum Abschluss wünschte er allen Mitgliedern und Fans, „dass wir uns wieder im Stadion treffen können“. Mit „Bleibts gsund und blau“ beendete er die ungewohnte Premiere.
20. Oktober 2022