Die Löwen trauern um ihr Ehrenmitglied Hans-Jochen Vogel. Der ehemalige Oberbürgermeister der Stadt München starb am 26. Juli 2020 im Alter von 94 Jahren in der bayerischen Landeshauptstadt.
Bereits mit 34 Jahren wurde der 1926 in Göttingen geborene Professoren-Sohn Oberbürgermeister in München. Er war damit jüngstes Stadtoberhaupt einer deutschen Großstadt. Die 4.444 Amtstage an der Isar prägten Vogel stärker als spätere Stationen. Er trug dazu bei, die Olympischen Spiele 1972 nach München zu holen. Vogel war es auch, der die Löwen nicht nur zur Deutschen Meisterschaft 1966 beglückwünschte. Auch zwei Jahre zuvor empfing er die Mannschaft von Trainer Max Merkel nach dem DFB-Pokalsieg gegen Eintracht Frankfurt. Zu dieser Zeit wurde er auch Mitglied beim TSV 1860 München.
Ab 1972 war Vogel in der Bundespolitik aktiv. Dort war seine Karriere von vielen Glanzpunkten, aber auch Niederlagen gekennzeichnet: Bundesbau- und Bundesjustizminister, für knapp vier Monate Regierender Bürgermeister in Berlin, SPD-Partei- und Fraktionschef und Kanzlerkandidat. Doch da unterlag er Helmut Kohl.
In der SPD galt Vogel zeitlebens als gutes Gewissen mit unerschütterlichen moralischen Grundsätzen. Abgesehen vom großen Thema „soziale Gerechtigkeit“ trieb Vogel bis ins hohe Alter aber noch ein anderes Problem um: der drohende Zerfall Europas. Schon als der Austritt Großbritanniens aus der EU sich erstmals abzeichnete, sagte Vogel, dass 70 Jahre Frieden in Europa nur durch die Überwindung des Nationalismus möglich geworden seien.

1964 beglückwünschte Hans-Jochen Vogel auf dem Marienplatz die Löwen zum zweiten Pokalsieg ihrer Vereinsgeschichte.
Seit 2006 wohnte Vogel mit seiner Frau Liselotte im Münchner Wohnstift Augustinum. Schon um das Jahr 2000, da war das Paar Mitte 70, schloss es einen Vorvertrag. Um seinen 80. Geburtstag, „da bekamen wir die Wohnung, die wir wollten“, erzählte er einmal gegenüber der Abendzeitung. Im 12. Stock der Seniorenresidenz, die Lindauer Autobahn im Rücken – aber mit Blick von der Zugspitze bis zur Kampenwand.
Seine Parkinson-Erkrankung hatte Vogel erst wenige Jahre vor seinem Tod öffentlich gemacht. Sofern es seine Gesundheit zuließ, empfing er Besuch von Journalisten und (Partei-)Freunden. Mit ihnen diskutierte er dann auch gerne über hochaktuelle Fragen wie die Flüchtlingskrise oder die Gefahren, die von rechten Strömungen ausgehen.Wer Vogel erreichen wollte, der brauchte aus heutiger Sicht viel Geduld. Denn bis zu seinem Tod verschmähte er Handy und Computer, tippte seine Brief auf einer Schreibmaschine.
Seit dem 1. April 1964 war der Alt-OB Mitglied in der Fußball-Abteilung der Löwen. Beim Jahresfrühschoppen am 28. März 2015 sollte er für 50 Jahre Mitgliedschaft geehrt und zum Ehrenmitglied ernannt werden. Leider musste er schon damals aus gesundheitlichen Gründen absagen. Die Urkunde bekam er per Post.
Doch dass ihm die Sechzger auch Jahrzehnte nach seiner ersten Begegnung noch am Herzen lagen und er sie regelmäßig verfolgte, zeigt ein mit der Schreibmaschine verfasster Brief vom 9. Juni 2011, den er an den damaligen Präsidenten Dieter Schneider gerichtet hatte. Darin gibt sich Vogel erleichtert über den „Fortbestand der Fußballabteilung des Vereins“ nach dem Einstieg von Hasan Ismaik als Gesellschafter. „Obwohl ich mich während meiner Amtszeit aus naheliegenden Gründen öffentlich neutral verhalten habe, war ich stets ein Sympathisant der ‚Löwen‘“, ließ er in dem Schreiben wissen und bedauerte, dass die Kontakte in der Zeit von Karl-Heinz Wildmoser „allerdings verloren“ gingen.
Der TSV 1860 trauert um sein Ehrenmitglied. Unser Mitgefühl gehört der Familie. Einmal Löwe – immer Löwe.
20. Oktober 2022