Am 16. September 2018 war es endlich soweit: Sigi Niebler nahm zum 5. Mal am Berlin-Marathon teil, aber das erste Mal im Löwen-Outfit. Was für ein Gefühl! Sein Bericht:
Die Vorbereitung lief ganz gut, bis mir vier Wochen vor dem Start die Achillessehne ihre Unterstützung entzog und kein Training mehr möglich war. Da war die Unsicherheit schon ganz schön groß, ob das mit den 42 km was wird.
6:00 Uhr: Aufstehen, ein kleines Frühstück (Kaffee und Semmel mit Honig) und dann los zum Brandenburger Tor, auch wenn der Start erst für 9:45 Uhr geplant war. Aber so früh ist die Stimmung hier einfach faszinierend. Eine gespannte Ruhe, auch wenn schon Tausende von Läufern nervös umherlaufen und Erinnerungsfotos oder Selfies vor der beeindruckenden Kulisse machen. Ein Moment, bei dem ich jedes Mal Gänsehaut bekomme. Von hier aus geht’s dann vorbei am Reichstag hin zur Kleiderbeutelabgabe. Den hatte ich am Vorabend mehrmals ein- und ausgepackt – ja nix vergessen. Dann die alten Klamotten zum Warmhalten anziehen! Der Chip ist da – ok! Der Notfall-Energie-Riegel eingepackt, passt.
8:00 Uhr: Auf geht’s zum Startblock. Ich muss zum Block G, ca. 600-700 m Fußweg. Gott sei Dank sind alle paar Meter Toilettenhäuschen aufgestellt! Die werden auch intensiv genutzt. Die Anspannung ist richtig zu spüren, jetzt gibt’s eigentlich kein Zurück mehr. Bis zum Start verbringe ich die Zeit zwischen nervösen Aufwärmübungen und Toilettengängen, Dixie wird zu meinem Freund!
9:45 Uhr: Start. Jetzt geht’s los. Die ersten beiden Gruppen sind weg, jetzt ist unser Block dran, Laufuhr starten und los. Die Euphorie und das Adrenalin machen meine Vorsätze, ganz bedächtig anzufangen, gleich zunichte. Unglaublich, was die Berliner für einen Lärm produzieren, ich kann mich dem einfach nicht entziehen. Ich glaube, nach 2 km hatte ich schon 20 „High-fives“.
Die ersten 30 km
Was danach folgte, ist eigentlich nicht zu beschreiben. Im Regierungsviertel, die Reinhardstraße entlang hin zum Friedrichspalast, stehen die Menschen in Dreier-, Vierer-Reihen am Straßenrand und jubeln den Läufern zu. Ich hatte die ersten 8-9 km fast durchgehend Gänsehaut, zwischen km 11-12 ein Menschen-Tunnel, wie bei der Tour de France! Und so geht es weiter. Die Begeisterung der Berliner für diesen Event ist unglaublich.
Gefühlt spielt jeden Kilometer eine andere Band (von Punk bis zum Big-Band-Sound), manch Anwohner hat einfach seine Soundanlage auf der Straße aufgebaut und lässt es mit AC/DC, den Stones oder Van Halen rocken. Die Menschen tanzen und klatschen dazu. Bei km 24 ist ein Wohnhaus, bei dem der Balkon im zweiten Stock zur Techno-Party-Zone umgebaut wurde. Links und rechts zwei ungefähr zwei Meter hohe Boxentürme, es ist unglaublich, wie
Doping. Die Unterstützung der Leute trägt mich immer weiter und obwohl ich schon 25 km hinter mir habe, bin ich glücklich, das alles erleben zu dürfen. Ich fühle mich hervorragend, meine km-Zeiten sind genau so, wie ich es geplant habe. Ich komme zu km 28,5 am „Wilden Eber“. Wer etwas empfindlich ist, braucht hier Ohrstöpsel, Wahnsinn!
„Ruhig bleiben, Sigi! Nicht übertreiben! Langsam!“, denk ich mir. Es sind noch 14 km zu laufen – und die haben es in sich!!!
Und so war es dann auch. Ab km 33 ging es mit mir bergab!!
Ich merkte dann doch, dass ein paar längere Trainingseinheiten fehlten und die Beschwerden der Achillessehne, bis jetzt durch das Zuschauer-Doping ausgeglichen, suchten sich nun ihren Weg. Von einem „runden“ Laufen konnte jetzt keine Rede mehr sein. Bis km 37 ging es noch irgendwie, vorsichtig zu laufen. Letztendlich führte das aber dazu, dass alles am Körper schmerzte. Seit ein paar Kilometern hatte es sich mein innerer Schweinehund auf meiner rechten Schulter bequem gemacht, der mir immer wieder sagte, dass es überhaupt nicht schlimm sei, wenn ich auch aufhöre.
Auf der linken Schulter aber brüllte der Löwe: „Lieber die restlichen Kilometer gehen, als aufhören!“
Die letzten Kilometer waren echt eine Qual, doch mit den Anfeuerungsrufen des großartigen Publikums und auch der anderen Läufer habe ich bis zum Ende durchgehalten.
Nachdem ich schließlich durch das Brandenburger Tor gelaufen war, überkamen mich unbeschreibliche Glücksgefühle, dass ich den Marathon trotz all der Schmerzen doch geschafft hatte. Ein Blick auf die Uhr nach dem Zieleinlauf sagte mir nur: „Das nächste Mal muss es wieder besser werden.“
Ich habe mir zur Belohnung zwei Erdinger geholt, mich auf die Wiese vor dem Reichstag gelegt und bin dann tatsächlich eingeschlafen.
Es war ein wunder-wunderschöner Tag und ich freue mich schon auf den 29. September 2019!
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20. Oktober 2022