Die Abteilung für Vereinsgeschichte veröffentlicht im Jubiläumsjahr jeden Monat einen Artikel zur Historie der Löwen. Dieses Mal berichtet Dr. Markus Drees über die Zeit zwischen 1970 und 1990, die von einem Auf und Ab geprägt war.
Am Ende der fußballerisch goldenen 1960er Jahren stieg 1860 vier Jahre nach der Meisterschaft aus der Bundesliga ab. Es sollte sieben Jahre dauern, bis es wieder hoch ging. Doch man konnte sich nicht etablieren und pendelte zwischen 1. und 2. Bundesliga hin und her. Ausgelöst durch Schulden wurde 1982 dem TSV 1860 die Lizenz als einem der ersten Vereine aus wirtschaftlichen Gründen entzogen. Davon erholten sich die Sechzger nur langsam und blieben bis 1991 drittklassig.
Nach der Party kam der Kater: Abstieg 1970 und Jahre der Zweitklassigkeit mit Oly-Zuschauerrekord
Die so erfolgreichen 1960er Jahre mit dem Höhepunkt des Meistertitels 1966 endeten in großer Ernüchterung, dem Abstieg am Ende der Saison 1969/70. Ein Grund war eine seit 1967 angehäufte Schuldenlast in Höhe von 1,4 Mio. DM, die das neue Präsidium um Präsident Sackmann durch Sparen an der Mannschaft abzubauen versuchte. Doch mit einem schwachen Kader ging es für das Gründungsmitglied der Bundesliga hinab in die zweitklassige Regionalliga Süd.

90.000 Zuschauer bevölkerten beim Spiel gegen den FC Augsburg (1:1) das Münchner Olympiastadion.
Dort schaffte man es in drei Spielzeiten hintereinander, die Aufstiegsrunde (Platz 1 und 2 berechtigten zur Teilnahme) jeweils als Dritter und Vierter zu verpassen. Jenseits aller sportlichen Leistungen setzte man aber einen Rekord für die Ewigkeit mit der höchsten Zuschauerzahl, die jemals im damals noch neuen Münchner Olympiastadion erreicht wurde: Mindestens 90.000 wollten am 15.8.1973 das Spiel gegen den FC Augsburg (1:1) im Stadion auf dem Oberwiesenfeld sehen. Die Organisatoren bei 1860 hatten sich komplett verschätzt, mit höchstens 50.000 Zuschauern gerechnet und dementsprechend zu wenig Tickets gedruckt. Doch es kamen knapp doppelt so viele, die die Löwen im Duell gegen die Augsburger mit Italien-Rückkehrer Helmut Haller sehen wollten. Nach dem frühen 1:0 für 1860 übersprangen die Zuschauer Zäune und Absperrungen, nur um dabei sein zu können. Wie durch ein Wunder gab es nur 136 Verletzte. Das Grünwalder Stadion hatte man übrigens nach dem Sturmschaden 1972 in Richtung Olympiastadion verlassen, pendelte aber in der Folgezeit hin und her, obwohl erst 1979 der Ersatz für die Stehhalle mit einer überdachten Sitztribüne fertiggestellt wurde und das Traditionsstadion da erst wieder komplett war.
1974/75 wurden die fünf Regionalligen durch die zweigleisige 2. Bundesliga ersetzt. Mit dem Comeback von Meistertrainer Max Merkel wollte man diese zwar so schnell wie möglich verlassen, doch auch er konnte nicht helfen und verließ die Löwen bereits kurz vor dem Ende der Saison wieder.
Relegationswahnsinn und Aufstieg trotz Sparkurs

Heinz Lucas und Präsident Erich Riedl feiern den Aufstieg in der Relegation gegen Bielefeld.
Es kam Heinz Lucas, der es trotz des von Präsident Riedl ausgerufenen Sparkurses schaffte, mit einer neu zusammengestellten und jungen Truppe in der Saison 1976/77 den 2. Platz zu belegen. Damit durften die Löwen an den Aufstiegsspielen gegen Arminia Bielefeld, dem Zweiten aus dem Norden, teilnehmen. Nach dem enttäuschenden 0:4 im Hinspiel auf der Bielefelder Alm schien die Chance auf die Rückkehr ins Fußballoberhaus schon fast dahin. Doch in einem packenden Rückspiel im Olympiastadion schafften die Löwen das Kunststück, ebenfalls 4:0 zu gewinnen, um ein drittes Spiel zu erzwingen. Dieses fand im Frankfurter Waldstadion statt und stand unter einem schlechten Stern, da die Arminen sich heftig über die überaus heftige Gangart der Löwen im Rückspiel aufgeregt hatten. Ein Bielefelder Kaufhaus zeigte eine Zusammenschnitt von Münchner Fouls in Endlosschleife im Schaufenster. Die Löwen ließen sich aber nicht provozieren und bleiben cool. So konnte nach einem Platzverweis, ausgerechnet für einen Bielefelder, das Spiel mit späten Toren zum 2:0 für 1860 entschieden werden. Die mindestens 30.000 Löwenanhänger im mit 60.000 ausverkauften Waldstadion waren aus dem Häuschen.
Allerdings währte die Freude nicht lange, man stieg nach der Saison 1977/78 sofort wieder ab. Highlight der Saison war sicher der 3:1-Sieg im Auswärtsderby beim FC Bayern. Berühmt geworden ist die Szene, als nach einem elfmeterreifen Foul von Rummenigge an Hofeditz der Bayernstar sich mit einer „Watschn“ wegen angeblicher Beleidigung am Löwen rächen wollte und der Schiedsrichter ihm folgerichtig die Rote Karte unter die Nase hielt. Hofeditz soll „Du rotes Schwein“ zu ihm gesagt haben. Das überraschende 3:1 sollte bis 1999 der letzte Sieg einer Löwenmannschaft gegen die Übermacht vom FC Bayern sein.
1860 als Fahrstuhlmannschaft zwischen 1979 und 1981 – doch Schulden bereiteten das Ende vor: Lizenzentzug 1982
In der 2. Liga lief es 1978/79 nicht so, wie man wollte und so trennte man sich am Ende der Hinrunde sowohl von Heinz Lucas wie auch vom bisher herrschenden Sparkurs. Mit Eckhard Krautzun gelang der Wiederaufstieg in die Bundesliga, der aber als Pflichterfüllung angesehen wurde. In der nächsten Saison wurde mit Ex-Nationalspielern wie Jupp Kapellmann und Heinz Flohe eine Truppe zusammengekauft, von der sich Präsident Riedl erhoffte, sie könne sich in der Bundesliga festsetzen. Die Mannschaft schaffte aber nur knapp den Klassenerhalt und ein Jahr später, 1981, ging es schon wieder in die 2. Bundesliga zurück. 1982 verpasste man mit dem 4. Platz den Aufstieg. Seit der Saison 1980/81 hatte man einen jungen Stürmer in den Reihen, der später ein Weltstar werden sollte: Rudi Völler. Seine Visitenkarte gab er in der Saison 1981/82 ab: Torschützenkönig in Liga 2 mit 37 Toren – bis heute unerreicht.
Unterdessen droht dem TSV 1860 eine neue Katastrophe: den Verein drückten nach den teuren Spieleinkäufen in der Bundesliga erhebliche neue Schulden. Der DFB drohte mit Lizenzentzug. 1860 reagierte mit dem Verkauf der Jungstars Rudi Völler (nach Bremen) und Herbert Waas (nach Leverkusen) und verkaufte zudem 59% der Turnhalle Auenstraße an die Stadt. Doch das Geld kam zu spät, der DFB ließ sich nicht mehr umstimmen. So musste 1860 19 Jahre nach Gründung der Bundesliga den Weg ins Amateurlager (Bayernliga) und die Drittklassigkeit antreten. Das war auch das Ende des CSU-Finanzexperten Erich Riedl als Löwenpräsident.
Das lange Warten auf die Rückkehr: 1860 in der Bayernliga bis 1991
Man begann also die Saison 1982/1983 als Drittligist. Doch die Fans blieben treu. Beim ersten Heimspiel gegen Landshut (3:2) im Grünwalder Stadion rechnete man mit 5.000 Zuschauern, es kamen aber 12.000. Die Fans erwiesen sich als Segen, gelegentlich aber auch als Fluch, wenn z.B. wegen Ausschreitungen gegen den Schiedsrichter inklusive des Schlachtrufs „Fußball-Mafia DFB!“ eine Platzsperre verhängt wurde.
Galt es im ersten Jahr, die Bayernliga anzunehmen, so wurde man im nächsten Jahr schon Meister, verpatzte aber die folgenden Aufstiegsspiele. Zwei Jahre später nutzte man die Chance, als Meisterschaftszweiter in die Aufstiegsrunde einzuziehen – Meister Landshut hatte nicht für die 2. Liga gemeldet. In den nächsten Jahren musste man jedoch mitunter sogar um den Klassenerhalt zittern. In den neun Bayernligajahren qualifizierte man sich dreimal für die Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga (1983/84, 1985/86 und 1990/91). Nach zweimaligem eher peinlichen Scheitern kam erst im dritten Versuch der Erfolg.
1985 übernahm „Baulöwe“ Karl Heckl das Präsidentenamt. Er war bereits ein Gönner des Vereins und sollte als Präsident weiteres Vermögen in den Verein stecken. Belohnt wurde er aber nicht, sondern von windigen Spielervermittlern und lustlosen Trainern enttäuscht. In Erinnerung bleibt sein Spruch: „Ich bin der erste der es bei 1860 zum Millionär geschafft hat – vorher war ich Milliardär“. Die Zuschauerzahlen pendelten zwischen ausverkauft und wenigen Hundert, je nachdem ob die Meisterschaft noch möglich oder bereits verspielt war.
Heckls Nachfolgerin wurde 1988 zum bisher einzigen Mal in der Vereinsgeschichte eine Frau: Liselotte „Lilo“ Knecht aus der Turnabteilung, zuvor bereits Vizepräsidentin, übernahm das Präsidentenamt. Angeblich rief sie bei Heckls Firma an und erkundigte sich nach dem angeblich eingerichteten Millionenkonto für 1860. Der Vorgängerpräsident, der zuvor alle Schulden des TSV 1860 beglichen hatte, war so wütend darüber, dass er den TSV 1860 aus dem Testament strich. Zu allem Unglück starb er nur kurze Zeit später an einem Herzinfarkt. Die Löwen aber gehörten folgerichtig nicht zu seinen Erben.

Karsten Wettberg und sein Kapitän Roland Kneißl auf dem Rathaus-Balkon nach dem Aufstieg in die 2. Bundesliga.
Auch ohne den erhofften Geldregen sollten unter Lilo Knecht die Trainer Willi Bierofka und Karsten Wettberg endlich für einen sportlichen Aufschwung sorgen. Leider verpasste man am letzten Spieltag 1989/90 beim 3:3 zu Hause gegen Schweinfurt (mit Trainer Lorant und Stürmer Winkler, die bald bei 1860 für Furore sorgen sollten) die Meisterschaft und die Aufstiegsrunde denkbar knapp. Karsten Wettberg blieb dann auch in der Folgesaison ungeschlagen und als 1860 auch die Aufstiegsrunde dominierte, gehörte man in der Saison 1991/1992 endlich wieder zur 2. Bundesliga.
Dank der deutschen Einheit allerdings einer zweigleisigen. Man spielte in der Südstaffel auch gegen einige Ostvereine (Erfurt, Jena, Halle, Leipzig, Chemnitz). Am Ende reichte es nur zum drittletzten Platz, sowohl in der Südstaffel, wie dann auch in der folgenden Abstiegsrunde. Dieser Platz eröffnete die Teilnahme an der Relegation mit Fortuna Köln aus der Nordstaffel und dem TSV Havelse aus der Amateuroberliga, doch nur einer konnte am Schluss den freien Platz in Liga 2 ergattern. Hier hatte Fortuna Köln die Nase vorn und 1860 musste wieder in die Bayernliga. Anteil an der enttäuschenden Saison hatte auch, dass Wettberg und der Vorstand sich nicht mehr verstanden. Der Trainer wurde am Ende der Abstiegsrunde entlassen, doch Co-Trainer Edi Stöhr konnte am Ende nichts mehr bewirken.
Bereits vor der Saison war mit Fredi Heiß ein Meisterlöwe ins Präsidium integriert worden. Außerdem stieß ein Vizepräsident namens Karl-Heinz Wildmoser dazu. Unter Liselotte Knecht wurde der Rest der Turnhalle 1990 komplett an die Stadt verkauft und somit die Auenstraße bis auf die verbleibenden Trainingszeiten aufgegeben. Das Geld wurde als Rücklage erst mal zur Seite gelegt.
Nach dem Rücktritt von Liselotte Knecht 1992 übernahm Karl-Heinz Wildmoser das Präsidentenamt und sollte eine zwölfjährige Erfolgsära mit allerdings wenig schönem Ende prägen.
Deutsche Meisterschaften im Volleyball in den 1970er Jahren und eine Olympiasiegerin 1988
Im Gegensatz zu den Fußballern machten andere Abteilungen in diesen Jahren positiver von sich reden. Die Volleyballer wurden zwischen 1973 und 1980 vier Mal deutscher Meister und fünf Mal Pokalsieger. Sie verließen 1989 den TSV 1860 und schlossen sich dem TSV Milbertshofen an.

Marina Kiehl gewann für die Löwen 1988 die olympische Goldmedaille im Abfahrtslauf.
In der Skisportabteilung machte in den 1980er Jahren mit Marina Kiehl eine Alpinskiläuferin von sich reden, die in den schnellen Disziplinen große Erfolge feierte. Sie konnte sieben Weltcuprennen gewinnen und krönte ihre Laufbahn 1988 mit der olympischen Goldmedaille im Abfahrtslauf. Auch das gehört zur wechselvollen Geschichte des TSV 1860 zwischen 1970 und 1990.
Teil 1: Die Gründung eines Traditionsvereins – 160 Jahre TSV München von 1860
Teil 2: Echt turnerische Brüderlichkeit
Teil 3: Die Stadiongeschichte(n) der Fußballer des TSV 1860
Teil 4: Der Verein wächst
Teil 5: Der Verein zwischen 1914 und 1933 – eine sportliche und politische Vereinsgeschichte
Teil 6: TSV 1860 von 1933-1945 – Die NS-Zeit: Ein dunkles Kapitel in der Vereinsgeschichte
Teil 7: Die Ära Wetzel: Sportliche Erfolge haben ihren Preis
Bilder aus 16 Jahrzehnten Sechzig
20. Oktober 2022