Vor 160 Jahren an einem Tag im Mai… meinten einige turnbegeisterte Herren, es sei an der Zeit den „Münchner Turnverein“ (wieder-)zugründen. Das Gründungsprotokoll geht auf den 17. Mai 1860 zurück. 1860 – für allen Löwinnen und Löwen mehr als eine Zahl! Ein Glück, dass die Gründung auf besagtes Jahr fiel, so beschert es uns den prägnanten Schlachtruf „Seeechzig“ und macht uns bis heute zu „Sechzgern“.
Ein anderes Datum spielte in der Gründungsgeschichte unseres Vereins ebenso eine zentrale Rolle. Einige der Gründungsväter vom Mai 1860, waren bereits zwölf Jahre zuvor, am 15. Juli 1848 im Saal der „Buttler’schen Brauerei zum bayerischen Löwen“, dem späteren Mathäserbräu am Stachus, zusammengekommen, um den „Münchner Turnverein“ zu gründen. Wer Mitglied werden wollte, konnte sich bereits im Vorfeld in „Einzeichnungslisten“ eintragen, sodass der Verein seine Geschichte mit 66 Gründungsmitgliedern begann. Wieder eine Zahl mit Bedeutung – diesmal in der späteren Vereinsgeschichte…

Sechs Gründungsmitglieder beim 40-jährigen Vereinsjubiläum (v. li.): Prof. Dr. Johann Lautenhammer, Ferdinand Harrasser, Franz Schlegel, Lorenz Fendl, Franz X. Schmidt, Karl Rebhan.
Die Erstgründung sowie die turnerischen Anfänge fielen in eine Zeit politischer Instabilität. Das Revolutionsjahr 1848 war von Aufständen und Demonstrationen des auf politischen Einfluss drängenden Bürgertums sowie der (teils gewaltsamen) Unterdrückung dieser Bestrebungen durch die Fürsten- und Königshäuser bestimmt. In München vermischten sich bürgerliche Forderungen nach mehr parlamentarischer Mitbestimmung mit der Empörung über das Verhältnis des Königs Ludwig I. mit der irischen Tänzern Lola Montez. Die Folgen der gescheiterten Revolution trugen auch konkret dazu bei, dass der „Münchner Turnverein“ nur zwei Jahre nach seiner Gründung wieder verboten und aufgelöst wurde.
In den 1840er Jahren hatten sich zuvor zahlreiche Turnvereine und erste Turnverbände gegründet. Einige von ihnen waren Teil der revolutionstragenden Bewegung gewesen. Die Fürstenhäuser befürchteten in ihnen einen Hort liberaler und nationaler Bestrebungen. Nach dem Scheitern der Revolution wurden viele von ihnen daher verboten und ihre Mitglieder politischer Verfolgung ausgesetzt. 1850 äußerte sich Dr. Döllinger in der bayerischen Kammer der Abgeordneten: „Wollen wir diese Anstalt der moralischen Verpestung, der politischen Irreleitung der heranwachsenden Generation etwa auch in Bayern ruhig gewähren lassen?“[1] Der „Münchner Turnverein“ wurde am 6. Juli 1850 auf Grundlage des Gesetzes vom 26. Februar daher offiziell aufgelöst.[2]
Trotz des Verbotes trafen sich einige Mitglieder weiterhin und gaben auch das Turnen nicht auf. Zehn Jahre später hatte sich die gesetzliche Grundlage zwar nicht geändert, es herrschte aber ein liberaleres gesellschaftliches Klima. In der Hoffnung, dass „freiere Regungen“[3] geduldet würden, wagte man die Neugründung. Aus Vorsicht nannte man sich zunächst „Verein zur körperlichen Ausbildung“, erst ab Frühjahr 1862 trug der Verein wieder den ursprünglichen Namen „Münchner Turnverein“. Das Gründungsjahr trägt der Verein seit 1900 im Namen. Dass wir heute vom Turn- und Sportverein sprechen, war angesichts der bedeutenden Turnertradition des Vereins, keine Selbstverständlichkeit. Hatten sich zwar vor allem um 1900 bis zum Ersten Weltkrieg mehrere (Ball-)sportabteilungen, auch innerhalb des „Münchner Turnvereins“, gegründet, forderte die „Deutsche Turnerschaft“ 1923 die strikte Trennung von Turn- und Sportmannschaften – die sog. „reinliche Scheidung“. So erfolgte 1924 die Trennung des „Sportvereins München von 1860“ vom „Turnverein München von 1860“, wobei eine Zusammenarbeit über einen gemeinsamen Verwaltungsrat erhalten blieb.[4] Erst ab 1934 waren beide Teile zum „Turn- und Sportverein von 1860“ vereinigt.[5] Den Löwen trägt der Verein seit 1911 im Wappen.
In diesem Sinne: Einmal Löwe – immer Löwe!
Quellen und Literatur:
Fußballabteilung des TSV München von 1860 e. V. (Hrsg.): Faksimile der Festschrift des Turnvereins München von 1860 zum 50-jährigen Vereinsjubiläum, München 2011.
Fußballabteilung des TSV München von 1860 e. V. (Hrsg.): Festschrift zum 40ten Stiftungsfeste des Turnvereins München e. V. von 1860. Transkribierte Abschrift, München 2018.
Löffelmeier, Anton: Die „Löwen“ unterm Hakenkreuz. Der TSV München von 1860 im Nationalsozialismus, Göttingen 2009.
[1] Dr. Döllinger in der 54. Sitzung der Kammer der Abgeordneten in Bayern am 19.1.1850, zitiert nach: Fußballabteilung des TSV München von 1860 e. V. (Hrsg.), Festschrift zum 40ten Stiftungsfeste des Turnvereins München e. V. von 1860. Transkribierte Abschrift. München 2018.
[2] Fußballabteilung des TSV München von 1860 e. V. (Hrsg.), Festschrift zum 40ten Stiftungsfeste des Turnvereins München e. V. von 1860 (wie Anm. 1), 12.
[3] Fußballabteilung des TSV München von 1860 e. V. (Hrsg.), Festschrift zum 40ten Stiftungsfeste des Turnvereins München e. V. von 1860 (wie Anm. 1), 13.
[4] Anton Löffelmeier, Die „Löwen“ unterm Hakenkreuz. Der TSV München von 1860 im Nationalsozialismus. Göttingen 2009, 35.
[5] Löffelmeier, Die „Löwen“ unterm Hakenkreuz (wie Anm. 4), 78.
Die Abteilung für Vereinsgeschichte wird im Jubiläumsjahr jeden Monat einen Artikel zur Historie der Löwen veröffentlichen.